Qualität der Berufsorientierung


Die Instrumente zur Förderung der Talente und Begabungen unserer Kinder und Jugendlichen, ohne Ausnahme und jegliche Unterschiede, sollen unter Einbeziehung nationaler und internationaler Modelle der Begabtenförderung und durch Beiziehung aller am Schulsystem Beteiligten, im und für den Schulalltag aller Schultypen weiterentwickelt und ausgebaut werden.

Günter Brus, Individualisierung und Begabtenförderung

Fatjan – Pflichtschule und Zeit zur Berufsorientierung.

 

Qualitätssicherung in der Berufsorientierung

Für Fatjan entfällt die 9. Schulstufe

Fatjan hat die 8. Schulstufe erfolgreich abgeschlossen. Seine Schulpflicht ist beendet. Er hat nicht nur in Mathematik sondern auch in Deutsch mit Befriedigend abgeschlossen, und die anderen Gegenstände natürlich auch positiv.

Er hat trotzdem Glück gehabt. Seine Eltern haben den Namen Fatjan ja auch nach dem Wortstamm Fat gewählt, der in der albanischen Sprache Glück bedeutet. Fatjan hat in der 8. Schulstufe eine Lehrerin gehabt, die ihn nach seinen Bedürfnissen gefördert hat und ihm so den Übertritt in das Berufsleben immens erleichtert hat.

Würden Fatjan und seine Mitschüler dieses „Glück“ auch in anderen 8. Schulstufen der gleichen oder anderer Schulen gehabt haben?   ‑   Ja, kann schon sein   ‑   oder auch nicht … !

Hätte es passieren können, dass Fatjan in der 8. Schulstufe keine Berufsorientierung, keine Berufsinformation und auch keine Berufspraktische Tage besuchen hätte können?

JA, es passiert nach wie vor, dass Schüler in Österreich keine Möglichkeiten der Berufsorientierung und/oder Berufsinformation vorfinden!


Das Fehlen einer Qualitätssicherung in der 9. Schulstufe

Laut Härtel1 gelten als Gradmesser für die Qualitätsbeurteilung der Berufsorientierung drei Parameter.

Einerseits die Jugendbeschäftigung bzw. die Quote der Jugendarbeitslosigkeit,
andererseits das Erkennen von Stärken und Potentialen,
die durch die Jugendlichen zum Einsatz kommen können, und somit die Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität eines Landes entwickeln und
als dritter Faktor, dass es gelingt, Jugendliche bereits auf der Sekundarstufe II in berufliche Ausbildungswege zu integrieren.

Fatjan ist vor allem der dritte Faktor des angesprochenen Qualitätsstandards vorenthalten geblieben. Zwar wird es gelingen, Fatjan in der Sekundarstufe II, wozu auch die Berufsschule zählt, in berufliche Ausbildungswege zu integrieren. Die vorgelagerten Maßnahmen der Beruforientierung und Berufsinformation haben bei Fatjan glücklicherweise doch noch funktioniert, zusehends versagen sie immer mehr.

Fatjan ist gar nicht bis zur Sekundarstufe II gekommen. Daher ist es abzulehnen, erst in der Sekundarstufe II mit Orientierungs- und Informationsmaßnahmen zu beginnen, vor allem dann, wenn absehbar ist, dass den Jugendlichen ein kurzfristiger Eintritt in die Berufswelt unmittelbar bevorsteht.

Immer mehr Jugendliche steigen aus dem Pflichtschulsystem aus, oft in der letzten Stufe der Sekundarstufe I, wie Fatjan in der 4. Klasse der Kooperativen Mittelschule (KMS). Immer mehr Jugendliche wechseln aus der 1. Schulstufe der Sekundarstufe II, zum Beispiel einer Berufsbildenden Mittleren Schule (BMS), einer Berufsbildenden Höheren Schule (BHS) oder einer Allgemeinbildenden Höheren Schule (AHS) in das Duale System der Lehre.

Sie müssen in das Berufsleben umsteigen, weil die Choreographie der Schule das so vorsieht. Die Jugendlichen steigen in das Berufsleben um,   OHNE   Vorbereitung seitens der Schule, manchmal auch ohne Unterstützung seitens ihrer Eltern.


1 vgl. Kämmerer/Rettenbacher (2006:7f), nach Dr. Peter Härtel, 04.12.2004, Gastreferat, Potsdam,
„Aktive Berufsorientierung in der Polytechnischen Schule“
http://pts.schule.at/index.php?TITEL=Materialien&artikel=1&kthid=11205, 06.07.2009,
neu: download unter http://pubshop.bmbf.gv.at/download.aspx?id=475, 29.12.2014,
vgl. Brus (2010:11f), Die Zukunft der Lehrlinge, Books on demand, Norderstedt

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