It´s not who they are, it´s not how they teach. It´s how they think! Es geht nicht darum, wer Sie sind oder wie Sie unterrichten. Entscheidend ist, was Sie denken!
John Hattie, Professor für Erziehungswissenschaften, University of Melbourne, Australien
Human Mindframes
Die Einstellung der Lehrperson ist entscheidend und macht den Unterschied
Prof. Dr. Klaus Zierer subsummiert in einem Referat 1 die Haltung 2 von Lehrenden im Konstrukt von “Human Mindframes” nach Prof. John Hattie als einen ausschlaggebenden Einfluss-Faktor und gibt damit einen Vorgeschmack auf 7 weitere Denkweisen [3], die, getragen von Lehrpersonen und Schulleitern, Veränderungsprozesse zur Unterstützung guter Lehr- und positiver Lernerfolge bei Schülerinnen und Schülern hervorrufen (können).
Lehrende können ihre Effekte auf Schülerinnen und Schüler selbst durch ihre Haltung ≈ Human Mindframes [4] mitbestimmen, im Speziellen durch:
– Lehrer-Schüler-Beziehung (Effektstärke [5] von d=0,72),
– Klarheit der Lehrperson (d=0,75),
– Direkte Instruktion (d=0,59),
– Feedback in beide Richtungen (d=0,73)
– Peer-Einflüsse (d=0,53) und
– Lernstrategien, vor allem das Kooperative Lernen (d=0,41).
Lehrpersonen agieren als Regisseur und Guide [6] (d=0,62), Moderator bzw. Leader (d=0,23) haben ausgedient.
Dabei sollten, frei nach John Hattie, Lehrende die Fähigkeit mitbringen,
– Lernenden bei der Ausübung Ihrer Tätigkeit, dem Lernen, aus dem Weg zu gehen und
– Maria Montessori zitierend, “helfen, es selbst tun zu können” [7].
Explizit zum Ausdruck bringt Prof. Klaus Zierer, dass pädagogische und didaktische Kompetenzen einen ebenbürtigen Stellenwert neben der Fachkompetenz einzunehmen haben:
– pädagogische Kompetenz in ihrer Ausprägung von Beziehung(en) und
im Dialog zwischen Lehrenden und Lernenden,
– didaktische Kompetenz in der Vorbereitung und Aufbereitung, im Unterricht und
beim Festigen des Unterrichtsstoffes, wohingegen
– fachliche Kompetenz von Lehrpersonen (d=0,09) wenig Einfluss am Fortkommen hat und
von Lernenden als Basiskompetenz vorausgesetzt wird.
Sensitiv veranlagte Lehrende haben die positiv beeinflussende Haltung immer schon emphatisch und/oder intuitiv wahrgenommen, eine Bestätigung und Bekräftigung erhalten sie jetzt durch die Hattie‑Erziehungswissenschafts‑Studie.
Die Qualität von Aus, Fort- und Weiterbildung an Pädagogischen Hochschulen (und Universitäten) könnte immens erhöht werden, würde die Angebotspalette für Didaktik und Pädagogik (als Namensgeber der Pädagogischen Hochschulen) an Vielfalt gewinnen.[9]
Der beim Referat anwesende Univ. Prof. Dr. Rupert Vierlinger, emeritierter Ordinarius an der Universität Passau, hinterfragte in der anschließenden Diskussion die Aussage
“Struktur-Reformen seien nichts anderes als Kosmetik”. [10]
Prof. Klaus Zierer streicht ungeachtet jeglicher Strukturmaßnahmen
– die Notwendigkeit von Peers,
– von positiven Vorbildern,
– von Gemeinschaft und Humanismus an unseren Schulen heraus,
– spricht von wertschätzendem Lehren und Lernen.
Er schließt seinen Vortrag, indem er darauf hinweist,
– dass Human Mindframes von Lehrenden innerpädagogisch bejaht werden,
– jedoch unter dem Diktat und Druck der Wirtschaft von System und Politik ignoriert werden würden.
Die Hattie‑Studie kann dazu beitragen, Lernen für viele Beteiligte sichtbar(er) zu machen.
[ Quodlibet Nr. 1, im November 2013 ]
[1] Referat von Prof. Dr. Klaus Zierer, “Lernen sichtbar machen – Die Hattie-Studie”, 13.11.2013, Stadthalle Wels,
Videos vom Referat entweder auf http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=dnftZiBjPDs
oder auf http://visible-learning.org/de/2013/11/klaus-zierer-vortrag-uber-die-hattie-studie/, 23.11.2013
Prof. Klaus Zierer (Prof. für Erziehungswissenschaften, Carl von Ossietzky Universität, Oldenburg) und Prof. Wolfgang Beywl (Prof. für Schulentwicklung, FH Nordwestschweiz, Brugg-Windisch, CH) haben die überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von Prof. John Hatties “Visible Learning”: Lernen sichtbar machen (2013) besorgt (Prof. John Hattie ist Prof. für Erziehungswissenschaften, University of Melbourne, Australien).
[2] Einstellung (in der meist englischen Fachliteratur attitude) bezeichnet in derPsychologiedie aus der Erfahrung kommende Bereitschaft (Prädisposition) eines Individuums in bestimmter Weise auf eine Person, eine soziale Gruppe, ein Objekt, eine Situation oder eine Vorstellung wertend zu reagieren, was sich im kognitiven (Annahmen und Überzeugungen), affektiven (Gefühle und Emotionen) und behavioralen (Verhaltensweisen) Bereich ausdrücken kann. Beispiele für Einstellungen sind Vorurteile, Sympathie, Antipathie, Selbstwert.
Fehlhaltung ist in der Psychologie ein durch Angst bedingtes Misstrauen, das die Einstellung zur Welt und sich selbst negativ beeinflusst. Abfrage von beiden Begriffen: de.wikipedia.org, 19.11.2013
[3] Hattie, John (2012:Part 3): Visible learning for teachers: maximising impact on learning. Abingdon: Routledge
[4] Hattie, John (2013:141, 256, 242, 206, 126, 250), Lernen sichtbar machen, Schneider Verlag, Baltmannsweiler
[5] Der Begriff Effektstärke ist eine Statistische Maßzahl, die besonders in Meta-Analysen genutzt wird, um anzuzeigen, einen wie grossen Unterschied die eine Variable (meist ein unabhängiger, ursächlich wirkender Faktor) auf die Verteilung der anderen Variablen (meist die abhängigen) auslöst (z. B. Einfluss von Feedback der Lehrperson auf Lernleistungen der Schülerinnen und Schüler). Als Effektstärkemaß wird oft “Cohens d” verwendet, das den Abstand zwischen den Mittelwerten zweier verglichener Gruppen von Lernenden (z. B. Lernleistungen mit vs. ohne Feedback) in Relation zu den Streuungen der beiden Gruppenverteilungen (Standardabweichungen) misst. Ein negatives d bedeutet: Je mehr vom Faktor (z. B. “Fernsehen”), desto geringer die Lernleistungen; ein positives d weist auf ein Mehr an Lernleistungen, wenn der Faktor stärker ausgeprägt ist (z. B. “Feedback”).
In Bildungskontexten gibt es selten Effekstärken grösser 1.0, fast nie solche grösser 2.0.
Der sogenannte Umschlagpunkt,
der von John Hattie festgelegte Schwellenwert für Effektstärken ist bei d = 0,40 fixiert. Den Faktoren, die den Schwellenwert überschreiten, soll gesteigerte Aufmerksamkeit gewidmet werden. Eine Effektstärke von d = 0,40 entspricht dem jährlichen Lernzuwachs eines durchschnittlichen Schülers, der in einer durchschnittlichen Klasse einer durchschnittlichen Schule von einer durchschnittlichen Lehrperson unterrichtet wird. Alle Faktoren mit höherem d-Wert, weisen auf Chancen für überdurchschnittliche Lernleistungen hin und sollten daher in der Schul- und Unterrichtsentwicklung besonders berücksichtigt werden. Sie erfordern also einen ‚sprunghaften‘ Umschlag der Aufmerksamkeit.
[6] Hattie, John (2013:287): Lernen sichtbar machen, 3. Nachdruck, Schneider Verlag, Baltmannsweiler
to guide (englisch): betreuen, anleiten, lenken, lotsen, www.dict.cc, 18.11.2013
to guide somebody into the right way to something ( jemanden den richtigen Weg zu etwas weisen
[7] “Lehre mich, es selbst zu tun.”, siehe dazu auch Vierlinger, Rupert (2011:349): Schulerfahrung & Schulreform, Stationen eines Lehrerlebens, Wagner Verlag, Linz
[8] Hattie, John (2013:136): Lernen sichtbar machen, 3. Nachdruck, Schneider Verlag, Baltmannsweiler
[9] siehe dazu auch Popp Susanne (Hrsg., 1998:22): Aus gegebenem Anlass, in “Grundrisse einer humanen Schule, Festschrift für Rupert Vierlinger, StudienVerlag, Innsbruck, Wien
[10] Quodlibet zum Thema Struktur und Verwaltung
“Die Schule als einer der größten Dienstleistungsbetriebe des Staates ist auf eine gut funktionierende Verwaltungsorganisation angewiesen. Eine klassische Verwaltungsbürokratie mit ihrer Affinität zu juristischer Fixierung und Regelung und dem Verordnen von fest umrissenen Befugnissen und Handlungsanweisungen, wie sie für Fertigungsbetriebe mit Fließbandcharakter geeignet sein mag, kann nur als Störgröße wirksam werden. An der Basis des schulischen Geschehens sind Faktoren im Spiel, die sich ständig ändern, werden Individuallagen in die Situation eingebracht und müssen Bedürfnisse von Menschen mitbedacht werden. Als das organisatorische Genie Ignaz Felbiger für seinen preußischen König Friedrich und die (damalige) Erzherzogin Maria Theresia die verwaltungstechnischen Rahmenbedingungen für das Pflichtschulwesen geschaffen hatte, hätten ihm Lehrer zur Verfügung stehen sollen, um es mit pädagogischen Geist zu erfüllen. Felbiger konnte lediglich auf Veteranen der untersten Offiziersränge zurückgreifen. Ihnen musste er auch das pädagogische Rahmenwerk, die Ziele, Inhalte und vor allem auch die Methoden vorgeben (vgl. auch das Methodenbüchlein mit der unseligen Tabellierungsmethode). Unter dieser geistigen Bevormundung konnten pädagogische Initiativen und Zivilcourage kaum keimen. Mittlerweile hat auch der Stand der Pflichtschullehrer ein hohes professionelles Niveau erlangt, sodass es Zeit sein könnte, die Dottersäcke aus den Gründungsjahren abzuwerfen.”
Vierlinger, Rupert (1986:349, 363): Der Lehrer – Anwalt des Kindes oder Funktionär des Systems?, in Bildung und Erziehung, 39.Jahrgang, Heft 3/September 1986, Böhlau Verlag, Köln
Vierlinger, Rupert (1978:81f): Perspektiven einer humanen Schule, Kapitel II: Ohne das Zugeständnis entsprechender Freiräume für die Lehrorganisation bleibt die Humanisierung der Schule riskiert
Bildernachweise:
John Hattie,
http://www.smh.com.au/national/education/just-shut-up-and-listen-expert-tells-teachers-20110609-1fv9y.html, 30.11.2013
Buch-Cover “Lernen sichtbar machen”
http://visible-learning.org/de/, 06.07.2021
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